DHd Erfahrungsbericht: Melanie Seltmann (Universität Wien)

Über den Sinn und Unsinn von Konferenzen – Ein DHd2019-Bericht

Seit ich mit meiner Dissertation begonnen habe, konnte ich schon häufiger mein Thema bzw. einen Aspekt daraus bei einer Tagung vorstellen. Eigentlich lief das ganze immer gleich ab: Ich erzählte Aspekte meines Dissertationsthemas und es gab hinterher entweder überhaupt keine Wortmeldungen dazu oder solche, die mich nicht wirklich im Nachdenken über mein Thema weiterbrachten. Ich hatte es schon fast aufgegeben, auf hilfreiches Feedback nach einer Präsentation zu hoffen.

Vom Sinn und Zweck von Konferenzen

 

Da stellt sich (nicht nur) mir die Frage, wozu sind Tagungen, Konferenzen und Workshops eigentlich da? Auch während der diesjährigen DHd-Konferenz wurde viel auf Twitter darüber diskutiert, welche Art von Vorträgen denn gewünscht seien. Viel zu wenig kritische Fragestellungen oder überhaupt Forschungsfragen würden präsentiert, eigentlich gehe es nur um Projekt- und Toolvorstellungen.

 

Und auch wenn ich zurückblicke auf die Vorträge, die ich besucht habe, und deren Output für mich, stelle ich fest, dass es vor allem diejenigen sind, die über eine Projektpräsentation hinaus gehen, die mich nachhaltig beschäftigen. Vielleicht liegt dies aber auch ein wenig daran, dass ich keinen Vortrag im Programm gefunden habe, der sich mit den Fragestellungen beschäftigt, die mich tagtäglich begleiten. Denn es ist eben keine Linguistik-Tagung, sondern eine DH-Tagung. Und man merkt nach meinem Empfinden recht deutlich, dass ein Schwerpunkt der DH auf digitalen Editionen liegt; was keinesfalls uninteressant ist, aber man muss sich irgendwann entscheiden, wofür noch Platz im eigenen Hirn ist und welchen Platz man für seine eigene Forschung und Arbeit reservieren muss.

Bis zur Konferenz und noch viel weiter

 

Doch außer in den Sektionen auf der DHd wird auch auf Twitter über die Themen diskutiert, wie auf keiner anderen Konferenz in meinem Bereich. Ich finde es jedes Jahr aufs Neue erstaunlich, welche Diskussionen hier geführt werden und mit wem man nicht alles ins Gespräch kommt (was durchaus auch Auswirkungen ins reale Leben hat). Besonders beschäftigen werden mich wohl auch nach der Konferenz noch (oder gerade da) die Fragen:

 

   Welchen Stellenwert Blogposts (und -kommentare) in unseren Literaturlisten im CV haben (sollten)? Der Aspekt kam im Vortrag von Mareike König über die hypotheses-Umfrage auf. Siehe hierzu: https://twitter.com/msiemund/status/1111545454548914176

   Welche Rolle ein DH-Mitarbeiter/Koordinator (u.a. im Projekt, im Verhältnis mit anderen Disziplinen) hat? Und viele weitere Fragen, die sich im Panel #DHFromScratch entwickelt haben. Siehe dazu: https://twitter.com/search?q=%23DHfromScratch

 

Eine Woche nach der Konferenz hat mich allerdings der Arbeitsalltag voll geschluckt und ich konnte noch nicht genauer darüber nachdenken. Also zumindest nicht allein. Für zweite Frage hat sich ein ziemlich umfangreicher Twitter-Thread entwickelt, an dem ich teilweise ein bisschen mitwirken konnte. Vielleicht ergibt sich daraus sogar ein eigener Workshop oder ein AG-Kickoff o.ä., da wäre dann auch noch mal Zeit zum Nachdenken gegeben. Ich denke mir gerade während ich diesen Blogpost schreibe, dass man eigentlich nach guten Konferenzen noch ein paar Tage „frei“ haben müsste, in denen man die ganzen Eindrücke und Ideen nach-denken und verarbeiten kann.

Nachwirkungen der DHd

 

Zeit zum Nach-denken braucht es definitiv auch für die Reaktionen auf meinen eigenen Vortrag. Denn endlich einmal habe ich eine wirklich hilfreiche und inspirierende Rückmeldung erhalten. Diese war zwar kritisch, aber vielleicht ist es genau das, was ich benötige: kritische Rückmeldungen, die mich dazu anregen, über Aspekte nachzudenken und sie zu hinterfragen, die ich sonst für gesetzt gesehen hätte, Erfahrungen von anderen bekommen, die an ganz ähnlichen Stellen bereits standen. Dafür sind schließlich Konferenzen da, oder? Nicht ein „Ich-zeig-Euch-wie-toll-ich-bin“, sondern ein „Helft-mir-wo-Ihr-schon-weiter-gedacht-habt-als-ich“.

 

Ich bedanke mich noch einmal herzlich dafür, dass mir diese Erfahrung finanziell durch ein Reisestipendium unterstützt wurde!

Geschrieben von : Anastasia Buianova

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